1976 stürmten unbekannte Attentäter das Haus Bob Marleys und schossen um sich. Bob Marley wurde leicht verletzt, seine Frau und sein Manager wurden schwer verletzt. Bob Marley verlies daraufhin Jamaika und kam erst zwei Jahre später zurück. Auf einem großen Konzert brachte er den Premierminister und den Oppositionsführer dazu, sich den Hände zu reichen. Das war ein Schritt zur Befriedung Jamaikas. Jahrelang hatten sich die Anhänger der beiden großen Parteien blutige Kämpfe geliefert.
Dieses Attentat ist der Ausgangspunkt dieses Romans. Der „Sänger“ steht irgendwie in der Mitte, kommt aber selbst nicht vor.
Der Autor folgt dem Schicksal seiner (fiktiven) Attentäter, Fans und Leuten aus deren Umfeld, beleuchtet Aktivitäten des CIA und des politischen Personals. Die große Zahl der Personen, die Vielstimmigkeit, die Dialekte und Idiome, die wechselnden Blickwinkel machen es anfangs nicht einfach sich zurecht- und in die Handlung einzufinden, doch die Spannung ist durchgängig so hoch, dass die Geschichte fesselt. Die Handelnden werden nach und nach in ihrem Antrieb und Hoffnungen, ihren Ängsten, Widersprüchen und Posen deutlich. Dies gelingt dem Autor sehr gut. Hier agieren keine Abziehbilder und Charaktermasken wie sie in Thrillern üblich sind.
In den Ghettos regieren Banden, politisch gut verbunden und zu jeder Art Geldbeschaffung bereit. Ende der siebziger wird Jamaika mit Waffen und Drogen überschwemmt. Männer, die sonst nicht zu tun haben, sehen ihre Chancen und Karrieren in diesen Wirtschaftszweigen. Kingstons und seine Ghettos wird zu klein für sie. Es zieht es sie nach New York; wie auch viele andere Menschen und Protagonisten des Romans dort Arbeit und ihr Glück suchen.
Kokain wird zu Crack. Das Drogengeschäft expandiert rasend schnell. Gewalt ist nicht nur das Medium der Macher und Strippenzieher, sie gehört auch zum Alltag der Crackkonsumenten.
Reggae, Bob Marley, Jamaika, New York sind Hintergrund und Handlungsorte die mich zum „natürlichen“ Leser machen. Der Autor ist mit Quentin Tarratino verglichen worden — (mit Alice Walker und Toni Morrison sowieso, das wird vermutlich guten schwarzen Autoren noch lang so gehen) — und was die Form, das Zusammenschneiden der Handlungsstränge angeht, kann ich den Vergleich zu Tarratino verstehen. Ich denke aber nicht, dass der Autor die Gewalt in Tarratino-ähnlicher Weise ästhetisiert. Die Gewalt ist hässlich, der Autor erlaubt keine ästhetisierende oder ironisierende Distanzierung.
Wie der Titel verrät, erlebt keiner der Hauptprotagonisten das Ende des Romans. Doch „brief“ täuscht, nichts ist hier kurz und knapp. Dies ist ein monumentales Epos. Marlon James leuchtet die dunkelsten Stellen aus, kein Buch für die einfache Erbauung nach Feierabend. Brillant und spannend!
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