Nicht nur werden die stalinistischen Verbrechen, die massiven, politisch motivierten, Hungersnöte, die Strafexpeditionen gegen die Kulaken (die oftmals ärmer waren als die befehlenden Politfunktionäre) in der Ukraine vor dem 2. Weltkrieg ignoriert (oder gar geleugnet), auch die imperiale Vergangenheit Russlands wird einfach weggedrückt. Im 19ten Jahrhundert galt Russland u.a. wegen seines Eingreifen gegen die 1848/49 Revolutionen (Ungarn etc.) als der "Gendarm Europas". (Fun Fact: Für Karl Marx war die russischen Autokratie nach der Niederlage der 48er Revolutionen zeitlebens der Hauptfeind. Ohne ihre Niederlage würde keine demokratische Revolution in Ost- und Mitteleuropa möglich sein.) Stattdessen ein Verständnis dafür das Russlands Sicherheit "Pufferzonen", "Einfusssphären" etc. benötigt. Russland die ewig verfolgte Unschuld.
Die russische Politik wird immer noch bei vielen Sozialdemokraten, Linken, Pazifisten etc. durch einen Weichzeichnungsfilter wahrgenommen. Aus den Verbrechen Nazideutschlands und dem großen Anteil der Sowjetunion bei der Niederringung der Wehrmacht wurde eine moralische Verpflichtung Russlands gegenüber konstruiert. Diese verschwommene Wahrnehmung erzeugt sehr viel Verständnis für russische Sicherheitsbedürfnisse, Pufferzonen, Einflusssphären. Geflissentlich übersehen wird in dieser Sichtweise, das Osteuropa die "Bloodlands" (Timothy Snyder) des deutschen Angriffskrieges waren. In Polen, Belarus und Ukraine starben die meisten Menschen, dies waren die Gebiete der Verwüstung, der Todeslager für die europäischen Juden und der rücksichtslosen Ausbeutung. Die Forderung auch nur eines diese Länder sollte auf seine Selbstbestimmung verzichten und eine puffernde Sicherheitszone für Russland bilden, ist geradezu obszön.
Ein Artikel der New Republik zum russischen Geschichtsbild
Putin führt einen Krieg gegen die Demokratie. Er hat erklärt, dass er weitere orangene Revolutionen nicht mehr zulassen werde. Das mit der NATO ist vorgeschoben, viel mehr fürchtet er den Beitritt der Ukraine zur EU.
Der orthodoxe russische Patriarch erläutert nun den metaphysischen Hintergrund: Putin verteidigt die von Gott gegebene Ordnung. Der Patriarch spricht von einem Verteidigungskrieg. Der Westen wolle die ganze Welt verderben, das sehe man an den Gay Pride Paraden.
Ein Artikel der FAZ zur Kriegsbegründung des russischen Patriarchen
Stephen Kotkin sieht Putin eingebettet in eine lange russische Tradition von Autokraten und Despoten. Bei weitem das beste, was ich zu Putins Antrieb und Beweggründen gelesen habe. Ein Autokrat emanzipiert sich von seiner Gesellschaft, es ist daher angeraten, seine Obsessionen und Träume von imperialer Größe ernstzunehmen.
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